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Anmerkungen zur Brennsuppe:

Die „gebrannte Mehlsuppe“ kann als ein Elementargericht bezeichnet werden. In den verschiedenen Regionen entwickelten sich zahlreiche Varianten mit unterschiedlichen Bezeichnungen: die Baseler haben ihre „brennti Määlsubbe“ oder auch „Mählsuppe“, im Kleinwalsertal gibt es eine Variante mit gedörrten Kirschen unter dem Namen „Chriasesuppa“, es existiert eine türkische „Un Çorbas“ und mancherorts heißt sie einfach nur „Wassersuppe“.
(In Norddeutschland allerdings finden sich eher Getreidegrützen als Mehlsuppen. Grütze bezeichnet einen gröberen Mahlgrad des Getreides.)

Vor der Verbreitung des Kaffees in den Haushalten der Bauern und Arbeiter hatten diese Suppen oft die Funktion des Morgenmahles, des Frühstücks.
Karl Friedrich Freiherr von Rumohr schrieb 1822 in seinem grundlegenden gastrosophischen Werk „Geist der Kochkunst“ über die gebrannte Mehl-oder eingebrennte Suppe: „diese ist jedoch so allgemein bekannt, daß es der Beschreibung hier nicht bedarf.“

So ist auch in der mit dem 19.Jahrhundert aufkommenden bürgerlichen Kochbuchliteratur nur selten ein entsprechendes Rezept zu finden. Die Speisen der „einfache Leute“ wurden mündlich weiter gegeben; die „Hochküche“ kümmerte sich eher um aus dem Französischen adaptierten Gerichte.

Ganz im Sinne Rumohrs erging es dem norddeutschen Autor dieser Zeilen, als er das Rezept der Brennsuppe von der achtzigjährigen Anna Erhart erfragte: in Vorarlberg geboren, seit über vierzig Jahren in Tirol lebend, ist sie professionelle Hausfrau. Sie konnte es sich nicht vorstellen, daß man „etwas solch’ einfaches wissen möchte", es amüsierte sie:
„Das kann doch jeder, versteh' ich nicht, wie man diese Frage stellen kann; man tut gute Fettn in eine Pfann, laßts hoaß werdn -es darf aber nicht verbrennen-, dann tut man Mehl dazu, soviel man braucht, will man viel Brennsuppn viel Mehl, will man weniger Brennsuppn weniger. Das Mehl wird braun angeröstet, ziemlich braun, aber nicht verbrennen lassen, dann gießt man mit Wasser auf und verrührt es schnell mit dem Schneebesn, daß es keine Knollen abgibt, zuletzt salzt man die Suppn. Am Teller kann man noch mit einem Schuß Essig würzen, was der Opa immer gemacht hat, -ich finde die bloaße Brennsuppn besser."

Allen Variationen dieses Gerichtes ist eines gemeinsam: sie bestehen aus Getreidemehl und Fett. Zwei Arten der Zubereitung lassen sich hier unterscheiden: in der einen wird das Mehl trocken im Topf geröstet („gebrannt“) und das Fett wird erst danach hinzugefügt. In der anderen wird das Mehl in das erhitzte Fett gegeben und dann gebräunt. Diese Mehlschwitze wird wiederum auf zweierlei Weise weiter verarbeitet: Entweder die Fett-Mehlmasse wird nach Ereichen des gewünschten Bräunungsgrades mit einer Flüssigkeit aufgegossen oder sie wird in kochendes Wasser gegeben. Beim zweiten Verfahren besteht die Möglichkeit, die Masse aufzubewahren und die Suppe bei Bedarf herzustellen: „Ich kannte in Jena einen Komilitonen aus Siebenbürgen, ihm hatte seine Mutter eine Riesenschweinsblase mit Einbrenne in den Koffer gepackt: wenn er sich früh daraus seine Suppe machte, war er daheim“. (Hans W. Fischer, „Das Leibgericht“, Darmstadt 1955)

Die Brennsuppe hat viele Erscheinungsformen. Es finden verschiedene Mehle, unterschedliche Fette und diverse Flüssigkeiten Verwendung: Wasser, Milch, Wein, Bier oder Brühe. Durch die Gewürze, Salz, Nelken, Lorbeer, Muskatblüte, Zitronenschale, Essig oder was auch immer bei den Köchinnen beliebt oder in der Küche vorhanden war, entwickelten sich mannigfaltige Varianten einer Grundstruktur.
(Notorische Mehlschwitzenfeinde wie etwa Wolfram Siebeck seien darauf hingewiesen, daß die französischen Veloutés, die Samtsuppen, auch auf einer hellen Mehlschwitze basieren.)
Mit der Zeit wurden diese unterschiedlichen Zubereitungsarten zum Bestandteil der regionalen Identität. So sind Speisen Bilder, die von den Lebensumständen der Kochenden, von ihrer Welterfahrung und Weltsicht berichten.

Dieter Froelich
Hannover 2003

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